Klingestraße 6

Rettung für ein 16-Familienhaus
Autor: Peter Bartels

Bis 1989 wurden durch die Initiative der Bürger Wohnungen und Häuser vor dem Verfall gerettet.

Eine gute Wohnung war in der DDR ein großer Luxus. Wer eine Wohnung brauchte, bekam eine zugewiesen und konnte nur geringen Einfluss auf die Wohngegend und die Wohnungsgröße nehmen. Wer Glück hatte, erhielt eine für damalige Verhältnisse gut ausgestattete Neubauwohnung. Dafür musste man aber in Kauf nehmen, in einem Wohnriegel und in der Regel auch in einem neuen Stadtteil zu wohnen, der nur aus neu errichteten Wohnungen des komplexen Wohnungsbaus bestand. Glücklich war aber auch, wer eine Wohnung in einem Altbau in einem interessanten alten Wohngebiet bekam. Wer dann noch über handwerkliche Fähigkeiten verfügte, machte aus seiner Wohnung, die sich oft in einem vom Verfall betroffenen Haus befand, ein Schmuckstück. Um in ihrer Wohnung bleiben zu können, retteten die Mieter oft auch das ganze Haus. So war es auch im Dresdner Stadtteil Löbtau in der Klingestraße 6

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Das Haus Klingestraße 6 etwa 1988. Dach und Haustür sind bereits fertig.
Foto: Peter Bartels

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Das Leben geht bekanntlich seltsame Wege, auch Umwege. Durch meine jetzige Frau kam ich 1983 nach Dresden. Sie wohnte damals mit ihrer Tochter im obersten Geschoß eines Gründerzeithauses in der Klingestraße 6. Drei Zimmer, eins davon als Durchgangszimmer und wie üblich mit Ofenheizung. Es gab eine kleine schmale Küche, aber kein Bad, nicht einmal eine Dusche. Es war schon ein kleiner Luxus, dass die Außentoilette, anders als sonst üblich, nur für diese Wohnung zur Verfügung stand. Auf der Etage befanden sich noch drei weitere Wohnungen. In den beiden Wohnungen links von uns lebten Frau Elly H. und Herr Georg J., die bereits im Rentenalter waren. In der Wohnung rechts von uns hatte einmal Herr Mathias R. gewohnt. Meine Frau und auch andere Hausbewohner haben ihn zwei Jahre lang nicht gesehen. Er lebte inzwischen im Erzgebirge in Rechenberg-Bienenmühle.

Es war damals üblich, eine Wohnung, für die man einmal eine Zuweisung erhalten hatte, nicht aufzugeben. Es hätte ja sein können, dass die neue Partnerschaft auseinanderbricht und man dann zurück in seine Wohnung ziehen will. Wohnungen waren zu DDR-Zeiten knapp. Lieber zahlte man im Zweifel die niedrige Miete, als sie aufzugeben.

Da wir gern in unserer Wohnung auch ein Bad haben wollten und auch ein weiteres Zimmer angenehm gewesen wäre, fuhr ich Anfang 1984 voller Hoffnung zu Herrn R. ins Erzgebirge. Für 500 Mark und das Versprechen, wenn ich eine Zuweisung (Mietvertrag) für die Wohnung erhalte, sollte er weitere 500 Mark erhalten, gab er mir die Schlüssel. Mit dem Schlüssel in der Tasche fuhr ich erwartungsfroh nach Hause. Meine Freude war aber nur kurz. Die Wohnung war total vermüllt, aber als viel schlimmer erwies sich, dass dort in der Küche der echte Hausschwamm wuchs. Die typischen Fruchtkörper des holzzerstörenden Pilzes waren gleich an mehreren Stellen zu sehen. Verursacht wurde der Hausschwamm, weil über dem Küchenfenster zwei kleine Dachplatten fehlten und so über eine lange Zeit die Dachbalken vom Regen durchnässt wurden.

Nun hatte ich es eilig, für diese Wohnung eine Zuweisung bei der Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) zu beantragen. Ich wurde freundlich empfangen und man bedankte sich dafür, dass ich eine freie Wohnung meldete. Aber im gleichen Atemzug teilte man mir mit, dass ich für diese Wohnung keine Zuweisung (Mietvertrag) erhalten werde. Wohnungen würden schließlich nach Dringlichkeit vergeben und ich könnte wohl keine Dringlichkeit nachweisen. Auch der Hinweis, dass die Wohnung aufgrund der baulichen Mängel nicht vermietbar ist, änderte nichts an der Meinung der Mitarbeiterinnen. Erst nach einer Besichtigung der Wohnung, in der wir die Vermüllung noch nicht beseitigt hatten, bekam ich die Zusage, die Wohnung nutzen zu dürfen.

Die Zuweisung für diese Wohnung erhielt ich etwa Mitte 1984, jedoch nur, weil ich mich verpflichtet hatte, den Hausschwamm zu beseitigen. Unmittelbar nach dieser Zusage wurde die undichte Stelle im Dach geschlossen. Danach benötigten wir mehrere Tage, um die völlig vermüllte Wohnung zu säubern.

Da ich zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn ein Handwerk erlernt und hier auch einen Meisterbrief erworben hatte, war ich sicher, die baulichen Herausforderungen zu meistern um die Wohnung bewohnbar zu machen. Durch Zufall traf ich einen Zimmermann, der die vom Hausschwamm befallenen Balken auswechseln wollte. Da sich meine Baustelle in etwa 15 Meter Höhe befand und ich hier in Dresden noch keine Verbindungen hatte, hoffte ich auch auf Unterstützung vom Bauhof der KWV. Was ich brauchte, war ein Baugerüst für die Höhe von 15 Metern und für fünf Metern Breite. Der freundliche Bauhof-Mitarbeiter versprach, sich um ein Gerüst zu kümmern.

… es gebe schlicht und einfach kein Gerüst …

Um den Befall mit dem echten Hausschwamm nachweisen zu können, ließ ich auch ein Holzschutzgutachten anfertigen. Der Gutachter bestätigte, dass, um weitere Schäden zu vermeiden, möglichst zügig mit den Arbeiten begonnen werden sollte. So ging ich jede Woche zum Bauhof der KWV und fragte nach dem Gerüst. Und immer erhielt ich die freundliche Antwort, man kümmere sich. Nur, es passierte nichts. Als ich das vierte oder fünfte Mal vorsprach, folgte mir beim Hinausgehen ein Bauhofmitarbeiter aus dem Nachbarzimmer und verriet mir, ich könne noch zig Mal kommen, aber es gebe schlicht und einfach kein Baugerüst vom Bauhof. Was sollte ich nun tun?

Die Beseitigung des Hausschwammes war die Voraussetzung dafür, dass auch wir in dem Haus wohnen bleiben konnten. Da kam mir zugute, dass ich mich, als ich nach Dresden kam, für eine Arbeit in einem Dresdner Krankenhaus entschieden hatte. Im Krankenhaus wurden immer irgendwelche Bauarbeiten ausgeführt. So lagen dort auch ständig Gerüstteile herum. Es fehlten einfach Transportkapazitäten und so blieben die Gerüste einfach liegen, bis sie zur nächsten Baumaßnahme wieder benötigt wurden. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Bauleiter und einem Kasten Bier durfte ich mir die erforderlichen Gerüstteile ausleihen. Daraus wurde, was anfangs nicht beabsichtigt war, eine Dauerleihe bis 1990. Wie man damals sagte, erfüllte ich mit meiner Initiative nur eine Vorgabe vom damaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, der einmal sagte: „Aus unseren volkseigenen Betrieben lässt sich noch viel mehr herausholen.“

Nun hatte ich zwar Gerüstteile aber auch das Transportproblem. So kaufte ich für meinen Trabant einen Anhänger, den größten, den es gab, welcher deutlich breiter war als das Auto. Das erstaunliche bei diesem Kauf war, dass der Kauf ohne Anstehen und Warten erfolgte. Nun fehlten für das Gerüst nur noch die Holzbohlen als Belag. Und wieder half ein Kasten Bier, das Problem zu lösen. Da alle Aktionen doch einige Zeit brauchten, war es inzwischen Herbst geworden. Für die Dacharbeiten hätten wir aber mehrere Tage trockenes Wetter benötigt, die nun nicht mehr zu erwarten waren. Das Risiko, das Dach für die Schwammsanierung zu öffnen, war zu hoch.

Wir machten aus der Not eine Tugend und begannen, ein Zimmer meiner Wohnung zu einem Bad umzubauen und es der Wohnung meiner Frau zuzuordnen. Für die damaligen Verhältnisse war die Ausstattung des Bades purer Luxus, wir legten Fliesen auf den Fußboden, bauten einen 80-Liter-E-Boiler und eine Gasheizung ein. Nur für ein WC hätte die Abwasserleitung durch alle Etagen erneuert werden müssen. Für diese Arbeiten fehlte uns die Zeit, zudem wären die Mieter unter uns zu stark belastet worden, ohne selbst einen Nutzen davon zu haben.

Wir brauchten aber ein neues WC, weil der Raum auf der halben Treppe, in dem sich unsere Toiletten befanden, auch vom Hausschwamm betroffen war. So baute ich im Flur meiner Wohnung, wo ausreichend Platz vorhanden war, eine Toilette und später auch noch eine Dusche ein. Die Wand zwischen unseren Wohnungen wurde erst nach dem Ende der Schwammsanierung geöffnet. Nach dem Abschluss der Sanierung hatten wir für drei Personen eine Wohnung mit etwa 120 m². Aus dem alten Außen-WC wurde eine Dunkelkammer, in der ich später meine Fotografien entwickeln konnte.

Beim Badeinbau traten aber zwei Probleme auf: Die vorhandene Gasleitung war bereits seit Jahren in einem jämmerlichen Zustand und dringend erneuerungsbedürftig. Ein weiterer Gasanschluss für unsere geplante Gasheizung im Bad war nicht genehmigungsfähig und die Elektroinstallation reichte gerade aus, um ein großes Elektrogerät (Waschmaschine) in der Wohnung betreiben zu können. Wurde ein zweites Gerät benutzt, schaltete die Sicherung den Strom ab. Um in der Wohnung von meiner Frau den 80-Liter-E-Boiler anschließen zu können, wurde der Strom aus meiner Wohnung genutzt. Für die Erneuerung der Gasleitung konnte ich die PGH Haustechnik gewinnen. Anfang 1985 konnten wir so bereits unser neues Bad in Betrieb nehmen.

Im Herbst 1984 kontrollierte ich das gesamte Dach, da bereits im Wohnzimmer meiner Frau ein nasser Fleck an der Decke zu sehen war. Besonders kritisch sah das über 50 Jahre alte Zinkblech aus, das an der Straßenseite hinter dem Giebel verlegt worden war. Hier haben wir auf die schadhaften Stellen unter schwierigen Bedingungen provisorische Dichtungen aufgetragen, indem mit einer Lötlampe eine Teerbinde auf das Zinkblech geklebt wurde. An einigen Stellen mussten wir auch Asbestzementschindeln durch Dachpappe ersetzen. Um ein Eindringen der Feuchtigkeit zu verhindern, haben wir im Winter den Schnee vom Dach hinter dem Giebel entfernt. Diese frühen Dacharbeiten erfolgten unter Missachtung sämtlicher Arbeitsschutzvorschriften. Im Frühjahr 1985 konnte endlich das Baugerüst für die Schwammsanierung aufgestellt werden. Hierfür brauchte ich Helfer.

In der DDR wurden vorrangig Arbeitsplätze in der Industrie gefördert, so dass beim Handwerk ein permanenter Arbeitsmangel bestand. Weil im Handwerk nicht ausreichend Handwerker zur Verfügung standen, hatte die DDR-Regierung bereits 1975 die Feierabendtätigkeit im „Gesetzblatt 35“ geregelt. Jeder Bürger konnte für 5,50 Mark pro Stunde, an Sonntagen für 6,50 Mark, Feierabendarbeiten ausführen. Der Arbeitgeber musste dies jedoch genehmigen. Aufgrund meiner Tätigkeit in einer technischen Abteilung fand ich auch Handwerker, Ingenieure und Freunde, die mich bei meinen Arbeiten unterstützen wollten. Die Erlaubnis zur Ausführung von Feierabendarbeiten wurde niemandem verweigert. Aber für 5,50 Mark wollte niemand mehr arbeiten. So wurde einfach die Zeit der Arbeit verdoppelt und jeder Helfer bekam an Werktagen 11 Mark für die Arbeitsstunde ausgezahlt.

Der Arbeitsaufwand und die Kosten für das legal erworbene Baumaterial, für das eine Rechnung vorgelegt werden konnte, wurden von der KWV bezahlt. In der Regel erfolgte dies auch zügig. Aber jeden Kasten Bier oder Arbeitsmaterial, das es nur ohne Rechnung gab, musste ich selbst von meinem Arbeitslohn bezahlen. Dazu zählte auch die Versorgung meiner Helfer mit Getränken und Speisen.

Das verursachte natürlich Lärm,
der andere Bewohner
in ihrer Nachtruhe störte.

Das Baugerüst hatten wir zu viert, von denen niemand zuvor ein Baugerüst aufgestellt hatte, errichtet. Da auch ich noch nie ein Baugerüst aufgestellt hatte, besorgte ich mir alle Vorschriften, um die Helfer ordnungsgemäß in Sachen Arbeitsschutz zu belehren. Der von mir engagierte Zimmermann, der auf der Wernerstraße seine kleine Werkstatt hatte und sein einziger Mitarbeiter war, zeigte sich zum Glück immer noch bereit, die vom Schwamm befallenen Holzbalken auszuwechseln. Nach der Terminvereinbarung begann ich die befallenen Balken freizulegen und stellte dabei fest, dass der Hausschwamm viel weiter gestreut hatte als vermutet. Der Schwamm hatte sich in den Fugen des Mauerwerks festgesetzt und war in die tragenden Balken im Fußboden eingedrungen. Auch diese Balken mussten zum Teil erneuert werden. Auch hier hatte ich Glück, denn die Mieterin unter mir zog zu ihrer Tochter. So konnten wir den Fußboden öffnen. Durch diese zusätzlichen Arbeiten kam ich jedoch in Zeitnot. So habe ich am Abend, bevor der Zimmermann mit seiner Arbeit beginnen wollte, bis nachts um zwei Uhr auf dem Gerüst gestanden und die Ziegelsteine vom Sims neu gemauert. Das verursachte natürlich Lärm, der andere Bewohner in ihrer Nachtruhe störte. Aber letztlich haben alle Mitbewohner dies geduldig ertragen und die Arbeiten unterstützt. Der Schwamm in meiner Wohnung war so gut es ging beseitigt, wenn auch nicht durchgängig nach der TGL-Norm. Um einen erneuten Schaden zu verhindern, haben wir reichlich Chemie eingesetzt, was heute so nicht mehr möglich wäre.

Als nächstes begann ich mir auch über die Dachdeckung, die aus Asbestzement-Schindeln bestand und die bereits an etlichen Stellen schadhaft war, Sorgen zu machen. Also beschloss ich, die gesamte Dachdeckung zu erneuern. Dafür reichten jedoch die organisierten Gerüstteile mit fünf Metern Breite nicht aus. Ich brauchte weitere zehn Meter. Glücklicherweise erhielt ich ein Angebot für sieben Meter lange Gerüstrohre. Die mussten aber aus Blasewitz abgeholt werden – etwa 15 Kilometer vom Haus entfernt. Selbst nachdem ich die Sitze meines Trabants ausgebaut und die Gerüstrohre bis zum Armaturenbrett gelegt hatte, ragten sie noch gut zwei Meter über den Anhänger hinaus. Wenn mich die Polizei angehalten hätte, hätte ich vielleicht die unzulässige Überlänge erklären können, aber nicht, woher die Gerüstrohre stammten und wohin ich damit wollte. Da half mir erneut unser Staatsratsvorsitzender Erich Honecker. Er kam an einem Vormittag nach Dresden. Ich ging davon aus, dass die Polizei mit Honeckers Sicherheit beschäftigt ist und nutzte diese Zeit, um die Rohre sicher durch die ganze Stadt zu transportieren. So bekam ich alle Gerüstteile zusammen und konnte den Teil des Daches über meiner Wohnung erneuern. Auch für die Dacharbeiten fand ich Handwerker auf Feierabendbasis. Und es war kaum zu glauben: Dachpappe und Schindeln gab es auch ohne anzustehen.

In meiner Küche befand sich neben dem Fenster eine Dachluke. Das hat mir nicht gefallen. Ein bekannter Tischler in Thüringen hatte noch ein schräges Dachfenster, Weimarer Fenster genannt, und eine Hoftür. Unsere war nicht mehr vorhanden, der Eingang war mit Balken verschlossen. So fuhr ich mit dem Trabi samt Anhänger nach Erfurt. Meine Küche bekam ein modernes zweites Fenster und die Bewohner des Hauses freuten sich über eine wieder nutzbare Hoftür.

Nun war eigentlich alles erledigt, was ich mir vorgenommen hatte. Doch was nützt mir die Sanierung, wenn der Hausschwamm an anderer Stelle im Gebäude weiterhin vorhanden war? Schließlich war die Dachdeckung älter als 20 Jahre und das an einigen Stellen eingesetzte Zinkblech hatte bereits mehr als 50 Jahre hinter sich und war dringend zu erneuern. Die Mansarde und auch die Decke über der Wohnung verfügten kaum über eine Wärmedämmung. Auf dem Dachboden gab es auf dem letzten Meter vor dem Dach nicht einmal die sonst übliche Schüttung aus Lehm. So haben wir im Zusammenhang mit der Dachsanierung auch alle Mansardenwände geöffnet, was eine kluge Entscheidung war, denn einige Balken waren angefault und mussten ersetzt werden. Wie befürchtet, war im Wohnzimmer meiner Frau auch der echte Hausschwamm vorhanden. Durch die Feuchtigkeit, die durch kleine Öffnungen in das Haus kam, hatte sich auch eine Vielzahl von Ameisen eingenistet. Die Balken wurden erneuert, die Mansarden wurden mit Mineralwolle wärmegedämmt und es wurde auch eine Dampfsperre eingebracht.

Neunmal haben wir am Ende
das Gerüst umgesetzt.

Die nun vorhandenen Gerüstteile reichten aus, um eine Fassadenseite zur Hälfte einrüsten zu können. Neunmal haben wir am Ende das Gerüst umgesetzt. Es dauerte bis 1988 bis das gesamte Dach fertig war. Danach wurde das Gerüst noch an der Straßenseite zum Verputzen der Fassade aufgestellt.

Die für die Dacharbeiten benötigte Dachpappe und die Dachschindeln gab es zum Glück immer zu kaufen. Aber wir brauchten auch Zinkblech für die Arbeiten am und hinter dem Giebel auf der Fassadenseite. Das gab es bei keinem Handwerker. Ich erhielt aber den Rat, es doch einmal mit einem Antrag bei einer Zulassungsstelle in Freiberg zu versuchen. Mit wenig Optimismus stellte ich den Antrag für vier Tafeln Zinkblech und bekam zu meiner Überraschung sehr bald die Zusage, diese kaufen zu dürfen.

Auch die Schornsteine bröckelten schon und hätten eigentlich nicht mehr benutzt werden dürfen. Vom Schornsteinfeger erhielt ich die Bretter und die Halterungen, um zeitgleich mit der Dachdeckung auch den Zugang zu den Schornsteinen wieder herstellen zu können. Aber ich brauchte auch Klinker (besonders haltbare Ziegelsteine), um die Schornsteinköpfe neu mauern zu können. Diese gab es nicht. Glücklicherweise hatten wir im Krankenhaus gerade eine Baustelle beendet, bei der noch Klinker übrig geblieben waren. Wieder löste ein Kasten Bier das Problem. Ich legte zwei Lagen Klinker in meinen Anhänger und fuhr damit in einer verkehrsarmen Zeit nach Hause. An einer kleinen Steigung an der Löbtauer Straße verschätzte ich mich und musste vor einer Ampel halten. Beim Anfahren begann die Kupplung zu Qualmen. Ich schaffte es zwar noch bis nach Hause, danach brauchte mein Trabant eine neue Kupplung. Im Nachgang ermittelte ich, dass ich meinen Anhänger mit etwa 1,2 Tonnen beladen hatte. Für den Trabant war aber nur eine Anhängerlast von 300 Kilogramm zugelassen.

Den Transport der Klinker vom Hof bis zum Boden übernahmen erfreulicherweise die Rentnerinnen in unserem Haus.
Es war schon eine Leistung, in vier Jahren und nach achtmaligem Umstellen des Gerüstes das Dach zu decken. Es mussten ja immer Handwerker und Helfer Zeit haben und wir brauchten zum Öffnen des Daches regenfreie Tage. Wir hatten Glück, es nieselte höchsten Mal. Zum Glück wurden außer in unserem Wohnzimmer keine weiteren erheblichen Schäden an den tragenden Balken gefunden. Um einen besseren Zugang zu erhalten, stellte ich einen Bauantrag, um im Hinterhaus eine Garage errichten zu können. So erhielt ich ein gut zugängiges Lager und eine Werkstatt mit einem vernünftigen Eingang. Der Trabant hatte aber nie in der Garage gestanden. Da ich nun auch das Hinterhaus besser nutzen konnte, wollte ich mir noch einen Traum erfüllen und stellte den Antrag, einen eigenen Handwerksbetrieb eröffnen zu dürfen. Da in der Nähe aber bereits der Klempner RINK tätig war, erhielt ich für einen Handwerksbetrieb in Löbtau keine Genehmigung. So zog in die freien Räume des Hinterhauses ein Elektriker ein. Was wiederum ein Glück für unser Haus war, denn die Elektrik im Haus stammte noch aus den 1930er Jahren. Es gab für jede Wohnung nur einen Stromkreis und der war nur mit sechs Ampere abgesichert. Das reichte beispielsweise nur für die Wachmaschine. Wurde ein zweites Gerät angestellt, schaltete die Sicherung den Strom ab.

Der Elektriker bekam von der KWV den Auftrag, in unserem Haus eine zeitgemäße Elektroinstallation einzubauen. Der Auftrag allein aber reichte nicht, denn es gab keine Elektrokabel und für ein Haus mit 16 Wohnungen wurden einige Meter benötigt. So habe ich alte Beziehungen aufleben lassen und bin nach Schwerin gefahren. Am Ende fuhr ich mit den Elektrokabeln und sonstigem Zubehör zurück nach Dresden. So bekamen alle Hausbewohner eine zeitgemäße Elektroinstallation, vorerst allerdings nur bis zum Sicherungskasten in der Wohnung. In den Wohnungen haben die Bewohner dann nahtlos weiter gebaut.

Immer wenn bei der Dachdeckung eine Pause eintrat, nutzte ich die Zeit für andere Arbeiten. So habe ich auf dem Dachboden über unserer Wohnung eine Wärmedämmung eingebracht. Aufgrund der geringen Höhe war das wie Baden in Mineralwolle. Für diese Arbeiten wurde ich aber gut entschädigt, denn unter einem der Bodenbretter fand ich eine ungeöffnete Flasche Weinbrand. Ich vermute, dass diese Flasche bei der Errichtung des Hauses von den Handwerkern dort versteckt und dann vergessen wurde. Obwohl die Flasche gut 100 Jahre Hitze und Kälte aushalten musste, hatte der Weinbrand noch einen ausgezeichneten Geschmack. Alle, die ihn probierten, waren voll des Lobes.

Die letzte große Herausforderung waren die Arbeiten in der Wohnung meiner Frau. Dort wollten wir aus zwei Zimmern ein großes Wohnzimmer mit 34 m² gestalten. Zum Glück verfügte die Wand zwischen den Zimmern über keine tragende Funktion und konnte somit leicht entfernt werden. Allerdings hatten die Dielen in beiden Zimmern eine unterschiedliche Höhe. Ein viel größeres Problem war der Hauschwamm, der selbst einen tragenden Balken im Fußboden angegriffen hatte. Auch hier half der Zimmermann. Die Wohnung unter diesen Räumen war allerdings bewohnt und die Mieter haben mit Geduld den Lärm ertragen, den ich nicht vermeiden konnte. Es gelang mir aber, den Fußboden zu öffnen und das befallene Balkenstück zu ersetzen, ohne dass in der Decke der unter uns liegenden Wohnung ein Schaden entstand. Anfang Dezember hatten wir den Fußboden fast fertig. Als Belag hatte ich wie damals üblich einen PVC Belag eingeplant. Meine Frau hatte aber andere Vorstellungen, also suchte ich in Dresden-Reick „Am Anger“ die „Erste PGH der Parket- und Linoleumleger” auf und wollte Parket für den Fußboden bestellen.

Ich rechnete damit, das Parkett nicht vor Ostern zu bekommen. Doch dann kam vom Parkettleger plötzlich die Frage: „Wann sollen wir das machen?“ Fast hätten wir Weihnachten einen neuen Parkettboden gehabt. Wir haben dann aber darauf verzichtet, denn durch die erforderliche Versiegelung und den damit verbundenen Geruch hätten wir mindestens eine Woche lang das Zimmer nicht benutzen können. So feierten wir Weihnachten noch auf einer Baustelle. Aber Ende Januar war alles vergessen und wir konnten nun unser großes Wohnzimmer ohne Einschränkung nutzen.

1988 begann die Haustür erheblich zu schwächeln. Aufgrund von Problemen mit den unteren Sandsteinsäulen hatten sich die Scharniere verzogen und die Tür ließ sich nicht mehr verschließen. So wurde in unserer Krankenhaus-Schlosserei ein neuer Türrahmen aus Stahl und für die Stufe am Eingang ein Rahmen hergestellt, um zusammen mit der Reparatur der Tür auch den maroden Eingang erneuern zu können.

Noch 1989 wurde das Baugerüst an der Frontfassade aufgestellt und damit begann die nächste Etappe der Sanierung des Hauses, das Verputzen der stark verwitterten Fassade. Diese Arbeiten wurden Anfang 1990 von der PGH Süd West ausgeführt.

Mit der Erneuerung der Sanitärinstallation wollte ich erst 1990 beginnen, denn vom 5. September bis zum 16. Oktober 1989 wollte ich meine einzige Westverwandtschaft, die in Australien lebte, besuchen. Für die Vorbereitung dieser Reise brauchte ich Zeit.

Als ich im Oktober 1989 aus Australien zurückkam, habe ich mich der „Gruppe der 20“ angeschlossen und dort aktiv in den Arbeitsgruppen zum Erhalt der alten Bausubstanz mitgearbeitet. Seit November 1989 leitete ich die Arbeitsgruppe Bauen und Wohnen. Ein Mitglied dieser Gruppe machte am 23. Dezember 1989 den Vorschlag, in Dresden einen Mieterverein zu gründen, um frühzeitig Bürgerinnen und Bürger bei deren Problemen rund um das Wohnen unterstützen zu können. Der Mieterverein wurde schließlich am 13. März 1990 gegründet.

Nach der Wiedervereinigung im Oktober 1990 wurde damit begonnen, Häuser an alte Eigentümer zurückzugeben. So geschah es auch mit dem Haus auf der Klingestraße 6. Ein Mitglied der Erbengemeinschaft bedankte sich noch für die Aktivitäten zum Erhalt des Hauses. Dieses wurde aber bald danach an einen Steuerberater aus dem Westen Deutschlands verkauft.

1996 hatte der neue Eigentümer eine sehr einfache und primitive Sanierung im Haus ausführen lassen. Der von mir ausgeführten Sanierung des Daches hatte ich eine Lebensdauer von etwa 15 Jahren zugerechnet. Im Jahr 2003, als wir das Haus verlassen haben, waren 13 Jahre davon vergangen. Eine umfassende und solide Sanierung des Hauses wurde im Jahr 2016 von einem neuen Eigentümer ausgeführt.

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