Stadtplanung

Über Stock und Stein: Entwicklung des Wege- und Straßennetzes in und um Löbtau
Autor: Uwe Hessel

Wer schaut schon im Zeitalter von onlinebasierten Möglichkeiten zur Suche nach dem richtigen Weg von einem Ort zum anderen noch auf traditionelle Karten, selbst wenn diese ebenfalls im Internet verfügbar sind? Und wer kann diese lesen und die Angaben darin interpretieren und zuordnen? Meistens sind es Historiker, Kartografen, Geschichtsinteressierte, Sammler und einige Andere, also ein recht überschaubarer Kreis. Dabei finden sich in alten Karten so manche Besonderheiten aus der Geschichte eines Ortes, die hin und wieder heute noch im Original bestaunt werden können.

Das Siedlungsgebiet des heutigen Dresdner Stadtteils Löbtau lässt sich mit der Hilfe historischer und aktueller Karten ganz neu entdecken, wenn man nur mit offenen Augen durch die Straßen geht oder fährt.

Wie mehrere Funde im Bereich des heutigen Bonhoefferplatzes zeigten, siedelten vor über 6.000 Jahren die ersten Menschen dort[1]. Ähnliche Funde gibt es aus heute mehr oder weniger benachbarten Stadtteilen wie z.B. „Cotta, Mockritz, Striesen, Leuben, Prohlis und Nickern“. Mit einigen Unterbrechungen in der Besiedlung bildete sich bereits vor über 2.000 Jahren ein regelrechter Kranz aus Siedlungsstätten an den südlichen, südwestlichen und westlichen hochwassersicheren Hängen des Dresdner Elbtalkessels heraus.[2].

Im bekannten Löbtau-Buch von Hans Georg Willige findet sich eine Karte, welche Löbtau und Umgebung um 1550 darstellt. In ihr sind zwar keine Wege, wohl aber die Brücke über die Weißeritz und der alte Elbübergang in der Nähe der heutigen Carolabrücke eingezeichnet.[3] Man kann allerdings davon ausgehen, daß es bereits zu Zeiten der frühen Besiedlung mannigfaltige Verbindungswege zwischen den einzelnen Orten gab.

nahe des wichtigen Überganges an der Weißeritz und damit an einem der für Dresden wichtigsten Handelswege

Die Slawen bauten ihre Häuser vor über 1.000 Jahren mehr nordwestlich der nahe der Weißeritz gelegenen ersten Siedlungsstätte, ohne damals zu ahnen, daß diese Lage zu einer gewissen Löbtauer Besonderheit führte. Das kleine Dorf[4] lag nämlich nahe des später sehr wichtigen Überganges an der Weißeritz und damit an einem der für Dresden wichtigsten Handelswege: der seit Mitte des 12. Jahrhunderts existierenden Straße für den Silbertransport aus dem Erzgebirge in die spätere Residenzstadt. Die Namen dieser Straße wechselten. Ihre Bedeutung änderte sich mit dem Wandel der Nutzungen. Heute bildet die Kesselsdorfer Straße verkehrstechnisch das Rückgrat von Löbtau.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde sie noch „Freyberger“ bzw. „Land- und Post-Strase“ genannt, die Dresden mit Freiberg und über ein Abzweig bei Gorbitz mit Nossen verband. Ihr Zustand wurde in einer Beilage zu den Sächsischen Meilenblättern als „gut“ bezeichnet, was auf einen entsprechenden Ausbau und eine gut Wartung schließen lässt.[5] Sie führte schon damals nach „Woelfnitz“, Ober- und Niedergorbitz und dem heutigen Altgorbitz, dem damaligen „Beerhaut“. Dort wo heute die Lübecker Straße von der Kesselsdorfer Straße abzweigt, stand eine „1/4 Meilensäule“. Die heutige Lübecker Straße folgt weitgehend einem alten Verbindungsweg nach dem heutigen Altcotta.

Die heutige Tharandter Straße war ebenfalls schon frühzeitig ein wichtiger Verbindungsweg mit verschiedenen Abzweigen. Sie führte vom „Chaußée Haus“ (heute steht dort die Löbtau-Passage) nach Potschappel, vorbei an „Reisewitzens Garten“ zum Dorf Plauen, über die heutige Altfrankener Straße und die Straße „Am Kirschberg“ nach „Doellschen“ sowie über die heutige Wiesbadener Straße nach Naußlitz.[6]

Allgemein geben die Karten in der Broschüre des Stadtplanungsamtes zur Stadterneuerung von 2008 einen guten Überblick zur Entwicklung des Straßen- und Wegenetzes in und um Löbtau ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis heute.[7]

Mit der Gründung der „Aktiengesellschaft zum Bau der Kohlebahn“ 1852 und der Einweihung der Strecke nach Tharandt 1855 begann eine bis dahin nicht gekannte Umwandlung des althergebrachten Straßen- und Wegenetzes in und um Löbtau.

Die Einrichtung der Strecke führte zur ersten Industrialisierung am Rande der Löbtauer Flur entlang der Weißeritz. Energieintensive Firmen, die Kohle für den Betrieb ihrer Dampfmaschinen und anderes benötigten, siedelten sich an.[8]

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Dresden-Löbtau Planstand von 1892 mit Verlauf von Weißeritz, Mühlgraben und Pferdebahn

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Diese wiederum zogen Arbeitskräfte an, die nicht nur von ihrer Wohnung in die Fabrik kommen wollten, sondern auch mit Strom, Heizung, Hausrat und Lebensmitteln versorgt werden mussten. Dazu brauchte man nicht nur die entsprechenden Versorgungsnetze, sondern auch neue Straßen und Wege.

Kaum noch bekannt ist, dass in Löbtau eine eigene Straßenbahnlinie eingerichtet wurde.

Vorläufer war 1864 eine Pferdeomnibuslinie quer durch Dresden nach Pillnitz. In Löbtau verband sie anfangs das Siemens-Glaswerk mit dem extra eingerichteten Pferde-Straßenbahnhof in der Bünaustraße. Die Linie wurde später bis Wölfnitz verlängert. Bis 1889 folgte schließlich die Verlängerung zum Postplatz.[9]

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Pferdebahn, hier am Altmarkt in Dresden zur Abfahrt Richtung Löbtau

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Verbunden mit der notwendig gewordenen städtebaulichen Bebauungsplanung und deren Realisierung ab 1875 entstand ein ganz anderes, wesentlich größeres Löbtau, in dem das ursprüngliche Dorf fast verschwand und dennoch über die Jahrzehnte „konserviert“ wurde.

Aus dem sternförmigen und an den benachbarten Dresdner Vororten orientierten Wegenetz entstand in seiner Erweiterung das ortsbildprägende rechteckige Gitter aus Straßen. Solche sind zwar nicht nur in Löbtau anzutreffen, deren Einbindung in die bis dahin entstandenen Verkehrswege und die dazugehörige Topografie machen jedoch das Besondere aus.

Auch wenn man sie meist nicht mehr als etwas Besonderes wahrnimmt, gibt es seit 1994 ein Straßenbauwerk, welches aus der Luft gesehen das Bild von Löbtau mit prägt: die lange Jahre vorher geplante aber bis zur Wende nicht realisierte Verlängerung der Nossener Brücke.

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Dresden-Löbtau um 1930 | heute Kesseldorfer Straße, Ecke Wernerstraße mit Blick zur Friedenskirche

Dresden-Löbtau um 1930 | heute Kesseldorfer Straße, Ecke Tharandter Straße und Weißeritz mit Blick zur Friedenskirche

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Plauensche Straße um 1930 | heute Tharandter Straße, Ecke Kesselsdorfer Straße

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Plauensche Straße mit Rathaus in Löbtau um 1930 | heute Tharandter Straße, Ecke Kesselsdorfer Straße

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Straßen der Gemeinde Löbtau 01.02.1901 [10] und 2017 bis heute

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Altfrankenerstraße | heute Altfrankenerstraße

Am Lerchenberg | heute Am Lerchenberg

Äußere Reisewitzerstraße | heute Reisewitzer Straße

Bismarckbrücke | heute ohne Namen

Bismarckstraße | heute Ebertplatz

Bramschstraße | heute Bramschstraße

Burgkstraße | heute Burgkstraße

Columbusstraße | heute Columbusstraße

Coschützerstraße | heute Zaukeroder Straße

Cottaerstraße | heute Lübecker Straße

1901 Crispiplatz | heute Epertplatz

Deubenerstraße | heute Deubener Straße

Döhlenerstraße | heute Döhlener Straße

Dorfplatz | heute Altlöbtau

Dölzschenerstraße | heute Dölzschener Straße

Dorfstraße | heute Hermsdorfer Straße

Dr. Schmidtstraße | heute Chausseehausstraße

Dresdner Platz | heute Columbusstraße/Löbtauer Straße

Dresdnerstraße | heute Löbtauer Straße

Flußstraße | heute durch Betriebsgelände des Kupplungswerkes Dresden überbaut, gehört heute zu Stadtteil Dresden-Friedrichstadt

Frankenbergstraße | heute Frankenbergstraße

Friedrich Augustplatz | heute Conertplatz

Friedrich Auguststraße | heute Rudolf-Renner-Straße

Gartenstraße | heute Eichendorfstraße

Germaniastraße | heute Baluschekstraße

Gohliserstraße | heute Gohliser Straße

Grundstraße | heute Teil der Paschkystraße

Habsburgerstraße | heute Fritz-Schulze-Straße

Hainsbergerstraße | heute Hainsberger Straße

Herbertstraße | heute Emil-Ueberall-Straße

Hohenzollerstraße | heute Oederaner Straße

Kesselsdorferstraße | heute Grillenburger Straße

Kirchplatzstraße | heute Wernerstraße

Kirchstraße | heute Stollestraße

Klingestraße | heute Klingestraße

Leumerstraße | heute Leumerstraße

Lindenplatz | heute Bünauplatz

Lindenstraße | heute Bünaustraße

Moltkestraße | heute Mohorner Straße

Naußlitzerstraße | heute Saalhausener Straße

Nossenerstraße | heute Siebenlehner Straße

Nostitzstraße | heute Clara-Viebig-Straße

Nostitz-Wallwitz-Platz | heute Bonhoefferplatz

Oststraße | heute Anton-Weck-Straße

Parkstraße | heute Grumbacher Straße

Pesterwitzerstraße | heute Wiesbadener Straße

Plauenschestraße | heute Tharandter Straße

Poststraße | heute Poststraße

Potschapplerstraße | heute Frankfurter Straße

Prinzeß Luisestraße | heute Braunsdorfer Straße

Rabenauerstraße | heute Rabenauer Straße

Reisewitzerstraße | heute Reisewitzer Straße

Roonstraße | heute Waldheimer Straße

Schillingplatz | heute Schillingplatz

Schillingstraße | heute Schillingstraße

Schulstraße | heute Gröbelstraße

Siemensstraße | heute Hirschfelder Straße

Straße unbekannt | heute eventuell ein Teil der Bünaustraße

Südstraße | heute Malterstraße

Tharandterstraße | heute Freiberger Straße

Wallwitzstraße | heute Clara-Zetkin-Straße

Wernerplatz | heute Wernerplatz

Wernerstraße mit Brücke | heute Wernerstraße

Wilsdrufferstraße | heute Kesselsdorfer Straße

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Friedenskirche heute mit markantem Notdach. Das ursprüngliche Turmdach und das Dach des Kirchenschiffes fielen der Bombardierung 1945 zum Opfer.

[1] Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt (Hrsg.): Löbtau im Wandel, Stadterneuerung für Dresden, S. 6, Dresden 2008
[2] Eigenwill, Reinhardt: Vorgeschichtliche Zeit, slawische Besiedlung und deutsche Eroberung, in Dresdner Geschichtsverein e.V. (Hrsg.): Dresden, Die Geschichte der Stadt, S. 10, Junius Verlag GmbH, Dresden 2002
[3] Willige, Hans Georg: Ue-Löbtau, Geschichte Löbtaus bis zum 30 jährigen Kriege, Erstes Heft der Heimatgeschichte von Löbtau, W. Ostwald, Dresden 1934
[4] Auf dem Dresdner und Freiberger Exemplar der Sächsischen Meilenblätter ist das Dorf Löbtau von Wiesen, vielen Bäumen (Obstgärten) und zwei bzw. drei kleinen Weingärten umgeben eingezeichnet. Es gab damals dort 35 Gebäude mit verschiedenen Anbauten. Quelle: Einträge in den Sächsischen Meilenblättern, Blatt 261 und 262 (Berliner Exemplar), 1785 bzw. Blatt 255 und 256 (Freiberger Exemplar), 1785 mit Nachträgen bis 1876 In Letzterem wurde der Name von „Loebta“ in „Löbtau“ geändert
[5] Knüpfer, G.: Beylage zu der XXten bis XXVIten Quadratmeile, Anmerckung. Strasen und Wege, 1785 (Transkription beim WIMAD e.V.)
[6] Einträge in den Sächsischen Meilenblättern, Blatt 261 und 262 (Berliner Exemplar), 1785 bzw. Blatt 255 und 256 (Freiberger Exemplar), 1785 mit Nachträgen bis 1876
[7] Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt (Hrsg.): Löbtau im Wandel, Stadterneuerung für Dresden, S. 13, 22, 23, 67, 86, 87 Dresden 2008
[8] ebenda, S. 20
[9] Dresdner Verkehrsbetriebe AG (Hrsg.): Von Kutschern und Kondukteuren, Die Geschichte der Straßenbahn zu Dresden von 1872 bis 2007, S. 12, 23, Dresden 2007
[10] Bauamt Löbtau, Februar 1901

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