Industrie und Gewerbe

Löbtau im Industriezeitalter
Autor: Uwe Hessel

Die Geschichte der Industrie in Löbtau bietet eine Vielfalt von Einblicken in die Entwicklung von Fabriken im Stadtteil selbst und in den benachbarten Dresdner Stadtteilen Plauen, Friedrichstadt, Cotta und der Wilsdruffer Vorstadt. Ein wichtiger Ursprung der Dresdner Industrie überhaupt liegt gerade im Bereich der Weißeritz, teils auf Löbtauer und teils auf Plauener Seite: der ehemalige Weißeritzmühlgraben und das Gelände an der Weißeritzbrücke an der heutigen Kesselsdorfer-/Freiberger Straße.

Mit Löbtau selbst sind so bekannte Namen wie Hille, Klinge, Lehmann, Naumann oder Siemens verbunden, die es nicht selten zu Weltruhm gebracht haben. Aber auch weniger bekannte Firmen wie Popp, Postranecky, Richter oder Seifert gehören dazu. Die Aufzähung ist natürlich nur beispielhaft, denn ein paar Fabriken reichten natürlich nicht, um Löbtau zum Titel der dereinst größten sächsischen Industriegemeinde zu verhelfen.

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Ein paar Worte zur Ausgangslage

In verschiedener Form sind schon zu früheren Zeiten einzelne Beiträge zur Löbtauer Industrie- und Gewerbegeschichte erschienen. Gleiches trifft auf etliche Firmenportraits und -chroniken zu. Eine zusammenfassende und wissenschaftlich fundierte Darstellung fehlt allerdings bis heute. Ein erster neuerer Versuch, wird im Löbtauer Stadtteilheft unternommen.

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Da der Platz im Stadtteilheft natürlich begrenzt ist, wird in diesem Beitrag ausführlicher auf einzelne Aspekte eingegangen, insbesondere die für Viele interessanten Firmengeschichten, da bei so manchen ehemaligen Arbeiter, Angestellten oder Betriebsleiter Erinnerungen wach werden. Erfreulich viele jüngere Menschen, deren Eltern, Großeltern oder Verwandte mal in einem der Betriebe gearbeitet haben, interessieren sich dafür. Neu-Löbtauer wollen sich zudem oft mit Ihrem neuen Wohn- und Arbeitsort bekannt machen. Somit bestehen beste Voraussetzungen für ein mögliches Projekt aus der Bürgerschaft heraus, um mit Unterstützung von Fachleuten die aus dem Ortsbild des Stadtteils weitgehend verschwundenen Zeitzeugnisse in ihrer Gesamtheit wieder erlebbar zu machen.

Als aus meiner Sicht gelungene Einzelbeispiele möchte ich den Badgarten auf dem Gelände einer ehemaligen Wäschereimaschinenfabrik an der Bünaustraße oder den, zwar nicht nur auf Löbtau bezogenen, bald wieder stattfindenden IndustrieKulturParcour sowie den Mühlenpark auf dem Gelände der ehemaligen Pulvermühle nennen.

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Die Quellenlage

Der Beitrag speist sich aus verschiedensten Quellen. Neben der allgemein zugänglichen Literatur sind es viele private Materialien. So sammeln z.B. die Mitglieder der AG Löbtauer Geschichte fast jeden Schnipsel zu Löbtau und damit natürlich auch zu den Firmen. Der Autor selbst befasst sich außerdem schon seit Jahren mit Industriegeschichte und besitzt einen eigenen Fundus. Kontakte mit örtlichen geschichtsinteressierten Bürgern, Unternehmern und Intsitutionen helfen zusätzlich. Dennoch hat die AG Löbtauer Geschichte gerade erst damit begonnen, sich einen Überblick zum Thema zu verschaffen.

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Fabriken in Löbtau: die Anfänge

Für die Entstehung von Fabriken in Löbtau spielte der Weißeritzmühlgraben mit dem angrenzenden Holzhof eine herausragende Rolle. Seine Bedeutung nahm mit dem Ersatz der Wasserkraft durch Dampfkraft ab, blieb aber lange noch präsent. Auf einer Panoramazeichnung von Löbtau aus dem Jahre 1885 kann man schon 51 Fabrikschornsteine zählen. Einen weiteren Schub brachte der Eisenbahnanschluß, ursprünglich hauptsächlich wegen des Kohlebahnhofs. Auf dem Bahnhofsgelände wurden aber auch Baumaterialien umgeschlagen, quasi die Fortführung des Holzhofes.

Um diese Quelle der anfangs aus dem Döhlener Gebiet stammenden Steinkohle siedelten sich folgerichtig bald Firmen an, die den Energieträger für ihre Dampfmaschinen benötigten.

Der begrenzte Güterverkehr für Fertigprodukte verlagerte sich schnell auf die östlich der Rosenstraße liegenden Gleise um den Chemnitzer Bahnhof. Das zog wiederum Dienstleister (heute würde man Logistiker sagen) wie Planen- und Kistenfabriken sowie Lohnpacker an.

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Ende des 19. Jahrhunderts gab es schließlich ein großes Industriegebiet mit hunderten Firmen und zehntausenden Arbeitern zwischen Löbtauer-, Ammon-, Zwickauer- und Tharandter Straße. Bei der Auswertung der Dresdner Adressbücher gewonnene Informationen kann man in zeitgenössische Stradtpläne eintragen und erkennt schnell, wie eng die Löbtauer Fabrikgelände mit denen in den Nachbarstadtteilen verknüpft waren.

Ursache dafür waren behördliche Verbote und insbesondere auch der Unwille der Gemeinde

Die Entwicklung von Handwerk und Gewerbe in und um das ursprüngliche Dorf Löbtau begann erst relativ spät. Ursache dafür waren behördliche Verbote und insbesondere im 19. Jahrhundert auch der Unwille der Gemeinde. Bereits seit dem 16. Jahrhundert gab es auf der Löbtauer Flur die Pulvermühle. Später folgten weitere Manufakturen am Weißeritzmühlgraben unmittelbar an der Grenze zwischen Löbtau und der Wilsdruffer Vorstadt. Vor 1892 gab es in Löbtau 11 Fabriken und zur „Einverleibung“ (Eingemeindung) nach Dresden wurden 58 Fabriken gezählt. Wobei man bei dem Begriff „Fabrik“ vorsichtig sein muß, da dieser nicht geschützt ist, denn nicht jede Firma, welche das Wort im Namen führte, war tatsächlich eine umfangreichere Produktionsstätte.

Typisch, aber nicht nur für Löbtau war, daß sich vorne ein Wohnhaus befand, z.B. in der Tharandter Straße, und sich dahinter oft kleinere Industrieanlagen bzw. Fabriken angesiedelt hatten. Größere oder große Fabriken hatten ihren Standort eher am Stadtteilrand, z.B. in der Löbtauer Straße, im südlichen Teil der Tharandter Straße und vor allem an der Freiberger Straße. Die in Sachsen weit verbreitete Kombination von Fabrikantenvilla, Kontor und Fabrik aus der Mitte des 19. Jahrhunderts war in Löbtau von Beginn an eher selten.

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Einen guten Überblick und eine kurze Einordnung in die äußeren Rahmenbedingungen findet man im Abschnitt „Die Löbtauer Industriebetriebe“ in der Arbeit von Erika Voigt.

Die beiden folgenden Übersichten wurden aus Daten und Angaben von Erika Voigt zusammengestellt (die Texte sind meistens wörtliche Zitate, auf die An- und Ausführungsstriche wurde der Übersichtlichkeit wegen verzichtet):

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1871
kurze Zeit einer Hochkonjunktur in Deutschland

1873
Gründerkrach. Von dieser Entwicklung blieb auch Löbtau und seine Industrie nicht unberührt. Vielen Löbtauer Betrieben gelang es trotzdem, durch diese Zeit hindurchzukommen.

Anfang 1880er
langsame Gesundung der Industrie, aber der inländische Bedarf stieg allgemein nicht in dem Maße wie die Warenerzeugung

1885
Exportverein für das Königreich Sachsen in Dresden mit dem Ziel gegründet, die Handelsbeziehungen zwischen Sachsen und dem Ausland zu fördern

1895
erstmals in Deutschland arbeiteten ebensoviel Menschen in der Industrie wie in der Landwirtschaft

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Wichtige Löbtauer Fabrikstandorte im 19. Jahrhundert

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Bereich Städtischer Kohlebahnhof

E. Rost & Companie, Dampfmaschinen, Dampfpumpen, Lichtgießmaschinen und Dampfkessel, 1857 gegründet

Dampfhammerwerk Carl Thomas, Eisenbahnbedarf: z.B. optische Signale, Weichen und Drehscheiben, 1869 gegründet

Glaswerk Siemens, Wein-, Bier- und Mineralwasserflaschen, Standflaschen und Säureballons sowie in Zweigwerken Glaswaren wie z. B. Beleuchtungsgegenstände, 1862 durch Übernahme einer Tafelglashütte gegründet

Maschinenfabrik J. M. Lehmann

weiterhin Dampfwäscherei, Brennerei, Presshefen-, Sprit, Essig- und Senffabriken, Klempnerei (Dampfmetalldrückerei)

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Bereich Löbtauer Straße

Maschinenbauwerkstatt Carl August Kuhnert, Inhaber Edwin Winkler, 1885 gegründet

Hartgussfabrik H. Kühne & Co., Walzen für die Kettenschleppschifffahrt, Strohhutpressen, mit eigenem Patent hergestellten zementierten Rohre und Gussteile für die 1872 in Dresden in Betrieb genommene Pferdeeisenbahn

Schokoladenfabrik Lobeck, Schokolade, Oblaten, Teewaffeln, Dessertgebäck, Zuckerwaren, Makkaroni, Nudeln, 1838 im Lockwitzgrund gegründet, 1862 in Löbtau neu gegründet

Lacksiedlerei Alexander Hessel, bis 1893

weiterhin Lack-Firnis-Farbenfabrik, Schuhwaren- und Schäftefabrik

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Bereich rund um die Weißeritzbrücke

Eisengießerei und Maschinenbauanstalt August Theodor und Ernst Moritz Weigel, 1884 geschlossen

Strickmaschinenfabrik Laue & Timaeus, hand- und motorbetriebener Strickmaschinen, 1868 gegründet

Hanfschlauch- und Gummiwarenfabrik-AG

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Bereich Kesselsdorfer Straße

Kunststein- und Zementwarenfabrik von L.A. Schreiber

weiterhin Metallwaren-, Chemische- und Stempelfabriken, Buchdruckerei

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Bereich Tharandter Straße und Löbtau Süd

Gas, Petroleum- und Benzinmotorenfabrik Moritz Hille

Aktienbierbrauerei Reisewitz und Ziegelei, 1868 gegründet

Dampfkesselschmiede Lehner & Schmalz, 1879 innerhalb von Löbtau umgezogen

Werkzeugmaschinenfabrik Wuttig

Dampfschleiferei Zahn

Kunstgießerei Pirner & Franz, u.a. bekannte Dresdner Bronzeplastiken

weiterhin u.a. Papyrolith-, Armaturen-, Gummiwaren-, Fahrrad-, Metallwaren-, Kartonagenfabriken, Fabrik für Sicherheitsschlösser

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Den kompletten Artikel mit vielen weiteren interessanten Bildern findet man HIER >>

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